Aufzeichnung der ARD TV-Sitzung (11.1.2023)
Nach zweijähriger Corona-Pause fand am Mittwochabend die Aufzeichnung der ARD Fernsehsitzung in der Düsseldorfer Stadthalle statt. Rund 700 bunt kostümierte Jecken waren vor Ort und erlebten einen Abend mit viel Licht, aber auch etwas Schatten. Hier die Kritik.
Die Bühne
Das neue Bühnenbild (hier Fotos von der leeren Bühne) im Zusammenspiel mit der aufwändigen Lichttechnik war ein optisches Spektakel! Kaum eine Farbe, die die Strahler nicht auf die Bühne zaubern konnten, bei den Auftritten der Bands waren zusätzlich bewegliche Spots im Einsatz, die dynamisch mal auf die Bühne, mal in den Saal zielten. Das war großes Kino!
Der Elferrat thronte nicht wie in der Vergangenheit in überdimensionalen Fässern hinter der Bühne, sondern saß dezent an der Seite und ließ dadurch die volle Aufmerksamkeit bei den Künstlern.
Der Moderator
Stefan Kleinehr moderierte die TV-Sitzung zum 14. Mal. Er ist ein Bühnenprofi, der auch dann, wenn er sich mal versprochen hatte - was sehr selten passierte - immer souverän blieb und den Part neu eingesprochen hat. Das ist ja der Vorteil einer Aufzeichnung: Für die Ausstrahlung im Fernsehen wird es passend geschnitten, und die Moderation wird dann perfekt rüberkommen.
Am Vorabend leitete er die Flaggschiff-Veranstaltung seines AVDK, den Närrischen Dienstag, bis nach Mitternacht. Aber von Müdigkeit heute keine Spur.
Die Bands
Um es vorweg zu nehmen: Alle Bands hatten große Lust darauf, endlich wieder auf dieser Bühne zu stehen, und man merkte ihnen die Spielfreude an.
Die KG Regenbogen und die Swinging Funfares eröffneten die Veranstaltung mit dem gemeinsamen Mottolied "Wir feiern das Leben". Dabei nutzen sie die gesamte Fläche aus: Während Sänger Max Weyers auf der Rundbühne in der Mitte stand, tanzte die Auftrittsgruppe vor der Bühne, und auf dieser spielten die Swinging Funfares.
Dank der Mittelbühne saß man auch auf den hinteren Plätzen mal ganz vorne.
Die Songs von Alt Schuss sind unbestritten gut, ebenso wie die Bühnenpräsenz. Doch zu dieser frühen Stunde tanzten die meisten Gäste noch an ihren Plätzen und stürmten noch nicht vor die Bühne.
Das änderte sich, als Kokolores auf die Bühne kamen. Ihr neuer Song "Schubidu" geht sofort in Ohr und Bein, und bei "Überall nur Jecke" zog eine amtliche Polonaise durch den Saal.
Frontfrau Ursula in ihrem Element.
De Fetzer sind seit ihrer Gründung im Jahre 1975 fester Bestandteil der rheinländischen Musikszene. Doch das war ihr letzter Auftritt in einer Düsseldorfer TV-Sitzung, dann nach dieser Session werden sie ihre lange Karnevalskarriere beenden. So ist an diesem Abend auf und vor der Bühne das ein oder andere Tränchen geflossen...
Das neue Bühnenoutfit feierte an diesem Abend Premiere.
Sie sind jung, sie sind frisch, und brachten die Jecken zum Feiern. Die Rhythmussportgruppe zeigte bei ihrem erst zweiten Auftritt auf der TV-Sitzung, warum sie auf die Bühne und ins Fernsehen gehört.
Party! Vor der Bühne ist kein Durchkommen mehr.
Das Finale der Veranstaltung bestritt die Werstener Music Company, die mit dem Prinzenpaar und den beiden Prinzengarden auf der Bühne stand.
Die Tanzgarden
Auf einer bunten Karnevalssitzung dürfen natürlich auch Düsseldorfer Tanzgarden nicht fehlen. Der Showtanz "Freiheit" der KakaJu ist ein Highlight, und auch der Gardetanz der Rheinstars war sehr schön anzuschauen.
Hoffentlich wirkt es im Fernsehen genauso. Live sah es super aus!
Das Düsseldorfer Prinzenpaar
Das Prinzenpaar war seit Beginn der Veranstaltung mit der Adjutantur an einem Tisch hinten im Saal. Sie wollten nicht in einem separaten Raum warten, sondern sich die Show live anschauen. Und da wurde ihre Geduld auf die Probe gestellt: Erst gegen Mitternacht war ihr großer Auftritt. Prinz Dirk II. und Venetia Uåsa zogen in Begleitung der beiden Prinzengarden plus Musikcorps durch den Saal auf die Bühne, während die Gäste die Fähnchen schwangen. Die Ansprachen der beiden waren kurz, knackig und souverän vorgetragen.
Ein beeindruckendes Bild zum Finale.
Die Redner
Während das Publikum im Saal am liebsten zu Live-Musik feiern würde, legt der Zuschauer vor den Fernsehgeräten mehr Gewicht auf die Wortbeiträge. Es liegt daher am Konzept der TV-Sitzung, dass grundsätzlich viel mehr Redner auftreten als auf einer normalen Sitzung - sieben waren es an diesem Abend.
Das hat zur Folge, dass die Jecken, die gerade vor der Bühne zu einer Band gesungen und getanzt haben, sich danach direkt wieder zu ihren Plätzen begeben, still sein und zuhören sollen. Zu fortgeschrittener Zeit fällt das Vielen immer schwerer, was natürlich auch die Künstler merken. Wenn dann noch ein erheblicher Zeitverzug im Spiel ist, und Redner, die stur an ihrem überlangen Auftritt festhalten, selbst wenn es an Qualität fehlt und sie beim Publikum nicht ankommen, dann macht es irgendwann keinen Spaß mehr.
Auch wenn Volker Weininger in seiner Rolle als angetrunkener Sitzungspräsident keine wirklichen Überraschungen bot, so ist seine Mischung aus Wortwitz, guten Pointen und purer Albernheit mit das Beste, was es im Karneval zu sehen gibt. Top!
Weininger wurde von der Sitzungskapelle um Michael Kuhl mit "Alkohol" von Herbert Grönemeyer auf die Bühne gespielt - großartig!
Wenn ein Redner aktuelle (politische) Themen im Programm hat, kann es ein Problem sein, dass sie erstens schnell nicht mehr aktuell sind, und zweitens, dass diese von Leuten wie Dieter Nuhr oder der Heute-Show sofort professionell humoristisch verwertet werden. Jürgen Hilger hat dieses Problem. Seine Seitenhiebe gegen Kardinal Woelki und die selbstklebenden Klimaaktivisten sind nicht mehr taufrisch, daher auch nicht mehr so richtig witzig. Und einen Düsseldorfer Text auf "Sweet Caroline" zu singen - damit möchte man als Landeshauptstadt nicht bundesweit im TV repräsentiert werden.
Achnes Kasulke hat sich schick gemacht und ihre Schürze mit Glitzersteinen angezogen. Brillant ist auch ihr Auftritt, denn sie macht Witze über Männer und Frauen, die nur Frauen machen dürfen. Ein Mann würde für "Wenn man sich Ricarda Lang ansieht, kann man sich nicht vorstellen, dass sie von Diäten lebt" sofort einen Shitstorm bekommen.
Ihre Rundungen haben einen Knopf von der Schürze gesprengt.
Willibert Pauels hat an diesem Abend gezeigt, dass er nicht (mehr) auf die große Bühne gehört. Sein Credo "Kirche und Humor gehören zusammen" predigte er schon vor zehn Jahren. Das Lied "Tochter Zion" kann man in einer Kirche singen, aber nicht auf einer Karnevalsshow. Sich darüber aufregen, dass Indianerkostüme von einer Minderheit als politisch nicht mehr korrekt angesehen werden - das ist populistisch, und darüber wurde sich schon im Jahr 2019 trefflich aufgeregt.
Markus Krebs - ist halt Markus Krebs. Wer ihn witzig findet, der hat auch an diesem Abend Tränen gelacht. Und es ist toll, dass ein Top Comedian, der inzwischen häufig im Fernsehen zu sehen ist und mit seinem Soloprogramm große Säle füllt, auch weiterhin und immer gerne zu unserer TV-Sitzung kommt.
Ingrid Kühne hatte ihren Arm in einer Schlinge - sie war vor zwei Wochen gestürzt und hatte sich den Arm gebrochen. Trotzdem wollte sie sich diesen Auftritt nicht nehmen lassen. Wer sie mal auf einer anderen Sitzung oder in "Ladies Night" gesehen hat, weiß, dass sie viel besser sein kann als sie es heute war. Das Timing passte nicht, und nur wenige Pointen zündeten.
Bis Aschermittwoch muss der Arm in Gips bleiben. An dieser Stelle gute Besserung.
Es gibt Künstler, die haben die zweijährige Zwangspause genutzt, um sich weiter zu entwickeln und auch mal etwas Neues auszuprobieren. Vielleicht wäre das auch eine Idee für Christian Pape gewesen. Er erzählt nette, aber harmlose Geschichten über seine Frau Silvia, singt zwei neue Versionen von "Fuchs du hast die Gans gestohlen" und zum Finale tanzt er mit Dr. Bimmermann, der wieder mal zwei Pullunder auszieht und immer noch einen darunter trägt. Das kennen wir alles schon. Und seine Worte, man möge doch bitte die rote Pappnase auf dem Mund-Nasen-Schutz tragen, stammen aus einer Zeit, die an diesem Abend glücklicherweise bereits weit entfernt schien.
Fazit: Dreieinhalb Stunden waren für die Aufzeichnung ursprünglich angesetzt. Daraus wurden fünf. Das gibt dem WDR eine Menge Material, aus dem er locker eine vergnügliche, bunte und abwechslungsreiche Sendung schneiden kann, zu der nicht nur die Düsseldorfer Jecken im Wohnzimmer singen, lachen und feiern können.
Die Ausstrahlung ist am Mittwoch vor Altweiber, also am 15.2. um 20 Uhr in der ARD. Wiederholt wird sie am Karnevalsdienstag um 22.15 Uhr im WDR.