Vorstellabend 2017 (16.10.2017)
Es ist kein Geheimnis: Düsseldorf hat nicht gerade ein Überangebot an guten Karnevalskünstlern. Wie jedes Jahr hatten neue Bands und Redner am Montag beim Vorstellabend des Literarischen Komitee Düsseldorf im Goldenen Ring die Möglichkeit, sich vor einem kritischen Fachpublikum zu präsentieren und zu empfehlen. Zwölf Künstler nutzten die Möglichkeit. Doch konnten sie ihre Chance auch nutzen?
Der Goldene Ring gilt gemeinhin als akustisch schwierig. Daher wäre es nicht fair, die Bands NUR an der Soundqualität des gestrigen Auftritts zu messen. Daher ist hier und da eine Hörprobe verlinkt.
Als erstes entern die Bergpiraten die Bühne. Die sieben Hobbymusiker schielen musikalisch in Richtung Köln, klingen aber insgesamt zu harmlos und soundtechnisch recht dünn (Hörprobe).

Rogi alias Johann Lensing ist ein Gründungsmitglied der Pänz en de Bütt. Doch wenn aus einem Pänz ein junger Mann wird, geht der Niedlichkeitsbonus verloren, und man muss sich an der Darbietung messen lassen. In diesem Fall an einer sehr politischen Rede, die das große Witz-Potenzial von Donald Trump und AfD nur teilweise ausschöpft, um danach ziemlich einseitig und nicht immer lustig gegen die Lokalpolitik zu schießen - das ist für einen 17-jährigen unpassend.

Hans Speit stellt sich als "One Man Bigband" vor. Sein Trompetenspiel ist besser als sein Gesang, und seine Musik mag auf einer Seniorensitzung auch durchaus Freunde finden.

Ne Schwadlappen alias Hermann Rheindorf steht bewegungslos auf der Bühne und hält trocken seinen Vortrag. Er verkauft diese Rolle durchaus souverän, doch entweder kommen einem die Pointen irgendwie bekannt vor, oder die Gags sind keine Knaller.

Die Rhingschiffer stellen an diesem Abend drei neue Lieder im Rhingschiffer-Stil vor, die beim Publikum auch gut ankommen. Bloß warum war bei den beiden ersten Songs so ein übertriebener Hall auf den Mikros? Absicht oder ein Versehen?

"Das hat doch nichts mit Karneval zu tun!" nörgeln ein paar Zuschauer. Doch, liebe Puristen, auch wenn in Liedern nicht von Altstadt, Rhein und Kö gesungen wird, werden die Goldenen Reiter auf Damensitzungen oder im Brauereikarneval mit ihren Akustikversionen von bekannten Hits der Neuen Deutschen Welle mit Sicherheit für viel Stimmung sorgen! (Hörprobe)

"Wenn Merkel mal baden gehen will, dann ist Jamaika eine gute Idee." Das ist nur eine der zahlreichen intelligenten, topaktuellen und wirklich witzigen Pointen vom Schofför der Kanzlerin. Dr. Jens Singer ist das humoristische Highlight des Abends und braucht in dieser Form keinen Vergleich mit den Top-Rednern des Karnevals zu scheuen. Klasse!

Die Pralinchen sind drei gestandene Musiker aus Düsseldorf, die sich in dieser Konstellation erst vor Kurzen zusammengefunden haben. Dass sie musikalisch etwas drauf haben und besser sind, als ihr Auftritt im Goldenen Ring befürchten lässt, beweist ihre professionell produzierte Debutsingle "Königsallee", die sie ihrer Heimatstadt zum Grand Depart geschenkt haben (Hörprobe).

Christiane Scheda ist eigentlich Schauspielerin. Die Rolle, als Ina vom Dom in die Bütt zu steigen, funktioniert aber trotz Nieten-BH leider nicht.

Kai & Kai waren mit ihrer dynamischen Mischung aus Tanz, Akrobatik und Comedy bereits auf verschiedenen Karnevalsbühnen zu sehen und haben das Publikum mitgerissen - und das machen sie auch heute Abend. Denn das ist jung, und das macht Spaß! Für die großen Bühnen ist sicherlich noch etwas mehr Struktur und Timing erforderlich, aber die beiden Jungs stehen schließlich erst am Anfang ihrer jecken Bühnenkarriere.

Es ist Geschmackssache, ob ein klassisches Zwiegespräch im Jahr 2017 noch zeitgemäß ist. Wenn man das mag, dann sind Labbes on Drickes sicher keine schlechte Wahl.

Im letzten Jahr schrieb Jeck in Düsseldorf über Jeck United: "Zwei, drei neue "neutrale" Songs ohne Krefeld-Bezug [...] schreiben und bitte nächstes Jahr wiederkommen. Dann höppen bald auch die Düsseldorfer!" Das haben die sympathischen Herren aus Krefeld gemacht - mit Erfolg: Wer es als einzige Band an diesem Abend schafft, das sich nicht gerade in Feierlaune befindliche Publikum zum Aufstehen und Mitmachen (= Höppen) zu bewegen, dazu noch als letzter Programmpunkt um 22.00 Uhr - der gehört definitiv auch auf die Bühnen der Landeshauptstadt! (Hörprobe)